Circle Of Influence / Kreis des Einflusses

Ein wirksames Tool zur Selbststeuerung

Manches steht in unserer Macht, manches nicht. In unserer Macht steht das Denken, das Handeln, das Verlangen und das Meiden – dies sind also alle Dinge in uns. Nicht in unsere Macht gegeben sind Körper, Besitz, Ansehen und Würden – also alle außer uns. Was nun in unserer Macht liegt, ist seiner Natur nach frei, es kann von niemandem behindert oder gehemmt werden, was aber nicht in unserer Hand liegt, ist schwankend, gefährdet und fremder Gewalt unterworfen.

Handbüchlein der Moral, Epiktet

Epiktet beschreibt hier eine uralte Weisheit, die sich auch heute mit dem Circle of Influence in Verbindung setzen lässt.

Kurzübersicht

Das Modell hilft einzuordnen, wo wir selbst Umstände ändern oder zumindest auf Veränderung hinwirken können. Dieses Modell ist begründet in Stephen R. Covey’s Buch “Die 7 Wege zur Effektivität”.

Die Schlüsselidee: Effektive Menschen konzentrieren sich bewusst auf ihren Bereich des Einflusses. Anstatt Zeit und Energie auf Dinge zu verschwenden, die außerhalb ihrer Kontrolle liegen, setzen sie ihre Ressourcen gezielt ein, um ihre direkten Einflussmöglichkeiten zu stärken. Dies führt dazu, dass der Bereich des Einflusses wächst, während der Bereich der Sorge schrumpft.

Indem wir uns auf das konzentrieren, was wir beeinflussen können, gewinnen wir mehr Kontrolle über unser Leben und werden effektiver in der Verfolgung unserer Ziele.

  • Circle of Control (Kreis der Kontrolle): Im inneren Feld liegt unser Machtbereich, unsere Gestaltungsmöglichkeit ist hier voll ausgeprägt. In diesem Kreis agieren, entscheiden und gestalten wir unabhängig. Hier stehen unsere Ressourcen und Kompetenzen im Mittelpunkt. In diesem Bereich liegen alle Dinge und Themen, die im eigenen Entscheidungs- und Handlungsraum liegen und hier können wir direkten Einfluss auf Handlungen nehmen. Beispiele hierfür sind: Mit dem rauchen aufzuhören oder sich in Gelassenheit zu üben.
  • Circle of Influence (Kreis des Einflusses): Hier können wir nicht unabhängig und selbstständig entscheiden und steuern. Es gibt Aspekte, die außerhalb unserer Kontrolle liegen. Dennoch besteht in diesem Bereich die Möglichkeit, durch Handlungen oder Gespräche Einfluss auf Umstände zu nehmen. Beispiele dafür können sein: Meinungsbildend auf andere zu wirken oder sich an einer Hilfsaktion aktiv zu beteiligen.
  • Circle of Concern (Kreis der Bedenken): Für Dinge und Umstände, die sich in diesem Sektor befinden, sind wir ohnmächtig – also ohne Macht. Wir haben keine Möglichkeit hier einen Einfluss zu nehmen oder etwas zu verändern. Die Dinge und Umstände in diesem Bereich sind oftmals schwer anzuerkennen, da wir Menschen genau dort mit der eigenen Ohnmacht konfrontiert werden und daran schier verzweifeln könnten. Beispiele dafür sind: Kriege auf der Welt oder Naturkatastrophen. Manchmal auch das Verhalten anderer Menschen.

Für die Anwendung ist lediglich die Unterscheidung zwischen dem Einflussbereich (inklusive Kontrollbereich) und dem Bedenken- oder auch Sorgenbereich zu treffen. Der “Circle of Influence” dient dazu, die Aufmerksamkeit und Energie auf Dinge zu lenken, die direkt beeinflusst werden können, wie Entscheidungen und Handlungen. Der Hauptzweck besteht darin, effektiver zu sein, indem man sich auf das konzentriert, was man aktiv steuern kann, anstatt Zeit und Energie auf Dinge zu verschwenden, die außerhalb des eigenen Einflusses liegen.

Ein Beispiel

Im Alltag ist es jedoch häufiger so, dass Sie sich bestimmten Umständen gegenüber ausgeliefert oder ohnmächtig fühlen. Sie kennen sicher auch jemanden, der seine Stimmung vom Wetter beeinflussen lässt: “Wenn es regnet, dann habe ich eben schlechte Laune!” oder der Arbeitsdruck, wenn viel zu viel auf dem Schreibtisch liegt und sich deshalb nachts der Schlaf vor lauter Grübeln nicht einstellen will. Beides liegt jedoch im eigenen Einflussbereich. Die Möglichkeiten der Einflussname sind vielfältig, wenn diese als Möglichkeiten erkannt sind und der Wille vorhanden ist, diesen Einfluss wahrzunehmen.

Ein schönes Beispiel dazu habe ich in einem Beitrag von Vera Birkenbihl in einem Video gesehen: Durch die täglichen Nachrichten wird meist unser Stimmungsbild im Alltag beeinflusst. Es ist tendentiell so, dass Menschen nach dem Schauen der täglichen Nachrichten eher schlechtere Laune haben als vorher. Es geht um Kriege, Krisen, Unglücke und Katastrophen und – am Rande – um Erfolgsmeldungen u.ä.. Haben alle diese Nachrichten wirklich einen Mehrwert für Sie? Muss man wirklich über alles informiert sein?

Vera Birkenbihl hat eine einfache Idee: Nehmen Sie die Nachrichten auf Video auf (oder einem zeitgemäßen Medium). Der Beitrag zum Krieg kommt – spulen Sie vor. Der Beitrag zum Zugunglück beginnt – spulen Sie vor. Der Beitrag zum erfolgreichen Einsatz bei der Seerettung im Mittelmeer – Sie entscheiden zu schauen. In Südkorea wurde ein Gesetz zum Verbot von Handel mit Hundefleisch verabschiedet… Die Entscheidung ist Ihre. Mit aufgezeichneten Nachrichten haben Sie die Kontrolle oder zumindest den Einfluss in der Hand, welchen Teil Sie anschauen und welchen Sie überspringen. Sie können auch gar keine Nachrichten mehr schauen, doch die Auswirkungen davon dürfen Sie selbst abwägen… Sie haben die Wahl! Sie dürfen selektieren, was Ihren Bedürfnissen entspricht. Sie dürfen festlegen, wie viel von etwas genug ist.

Zu dem Thema passt sehr gut ein persönliches Beispiel: Ich hatte vor einiger Zeit ein Gespräch über Nachrichtensendungen und da sagte jemand “Man muss Nachrichten schauen, sonst verdummt man.” Das glaube ich nicht. Und jeder darf entscheiden, ob er diesem (recht simple gestrickten) Glaubenssatz folgen mag oder ob es noch eine andere Wahrheit geben könnte. Für mich ein schönes Beispiel etwas in den eigenen Kontrollbereich zu nehmen und selektive Entscheidungen zu treffen.

(Zum Video Vera F. Birkenbihl “Wie negative Nachrichten und runterziehen”; hier der Link zu TikTok)

Den Einflussbereich stärken

Sie können den eigenen Einflussbereich weiter zu stärken, wenn Sie sich dazu ein paar hilfreiche Axiome oder Leitsätze notieren. Ein paar davon habe ich Ihnen als Angebot formuliert:

  • Menschen verfügen bereits über alle Ressourcen, die sie brauchen, um die von ihnen angestrebten Veränderungen zu erreichen (Axiom aus dem Neurolinguistischen Programmieren, NLP); Auch ressourcenorientierte Methoden wie das Zürcher Ressourcen Modell «ZRM®» und weitere Selbstmanagement Konzepte basieren auf der Annahme, dass Menschen über innere Ressourcen verfügen, die ihnen helfen können, sich zu entwickeln und ihre Ziele zu erreichen.
  • “… dass jeder Mensch sich selber fühlen macht und niemand die Gefühle einer anderen Person erzeugt.” (Aus “Neuentscheidung” von Mary Goulding McClure und Robert L. Goulding, Seite 18); Auch das Konzept der emotionalen Intelligenz (nach Daniel Goleman), beinhaltet die Fähigkeit zur Selbstregulierung; Dies bedeutet, dass jeder seine eigenen Emotionen erkennen, verstehen und beeinflussen kann. Wenn Sie die Verantwortung für die eigenen Gefühle anerkennen und übernehmen, spielen dennoch externe Einflüsse eine Rolle und wirken auf Sie. Doch auch diese liegen in Ihrem eigenen Einflussbereich, wie Sie mit den jeweiligen Reaktionen auf diese Einflüsse umgehen möchten.
  • “Hirnforscher haben mehrfach nachgewiesen, dass das Gehirn in jedem Alter lernfähig und trainierbar ist. Allerdings besteht die Gefahr, dass mit zunehmendem Alter die Bereitschaft zu lernen verloren geht.” (Quelle Pharmazeutische Zeitung online: https://ptaforum.pharmazeutische-zeitung.de/immer-weiter-lernen-129219/) Für mich ist auch die Neuroplastizität des Gehirns, sowie Verhalten selbst eine Art von Muskel, der trainiert werden kann und durch Training stärker wird.
  • Hinter “Ich kann nicht” versteckt sich oft “Ich will nicht”. Mit einem “Ich kann nicht” begrenzen die Menschen sich (oft unbewusst) selbst. Es ist stärkender und autonom offen sagen zu dürfen “Ich will nicht” und ehrlich mit sich selbst zu sein. “Ich kann nicht” führt Sie in den Bedenken- und Sorgenbereich, “Ich will nicht” in den Einflussbereich.
  • Mut hilft und bedeutet nicht, keine Angst zu haben, sondern Mut heißt, es trotz der Angst zu tun. Es gehört Mut dazu, Entscheidungen zu treffen, sich festzulegen, eigene Ziele zu bilden, Meinungen und Haltungen zu vertreten und dies manchmal gegen innere und auch äußere Widerstände. Angst hält Menschen davor ab, genau diese Dinge zu tun. Mut hilft diese Dinge trotzdem zu wagen.

So können Sie den Circle of Influence nutzen

Er kann Ihnen als Landkarte dienen: Nehmen Sie die visuelle Darstellung aller Kreise als Landkarte. Wo verorte ich das, was mich gerade bewegt oder was gerade passiert? Wen Sie beispielsweise einen belastenden Konflikt mit einer Kollegin haben, so können Sie den Konflikt selbst und Ihren Umgang damit beeinflussen.

Den Konflikt können Sie im äußeren beeinflussen, indem Sie z.B. das klärende Gespräch nochmal suchen, neue Regeln im Miteinander verandeln, einen Mediator hinzuziehen oder weiteres.

Die daraus resultierenden Gefühle können Sie beeinflussen, diese z.B. als weniger belastend wahrzunehmen ode gelassener damit umzugehen. Um dies zu erreichen können Sie sich beispielsweise in Akzeptanz üben, mit einem Partner die Situation besprechen oder im Coaching einen neuen Umgang damit erarbeiten. Sie können auch Ihr Mindset neu strukturieren und die eigenen Anteile daran reflektieren und eigenen Vorurteile und Vorannahmen darüber hinterfragen und neue Perspektiven einführen… Wichtig ist sich zu erinnern: Sie haben die Möglichkeit Einfluss zu nehmen.

Verorten Sie Ihr Thema oder Anliegen im entsprechenden Kreis und leiten Sie daraus Ihre Optionen ab. Die oben genannten Axiome / Leitsätze können Ihnen dabei helfen oder Sie erstellen eigene. Sie dürfen sich auch gerne neue Handlungs- und Reaktionsweisen dazu modellieren. Wie soll es denn in einer “perfekten Welt” sein? Was wäre dann anders? Woran würden Sie merken, dass es Ihnen mit der Situation besser geht? Was würde eine sehr weise Person Ihnen dazu raten? Welche Handlungsmöglichkeiten haben Sie noch, die Sie vorher nicht genutzt haben? Generell helfen Fragen, um neue Perspektiven einzuführen (siehe auch Buch: Systemische Fragetechniken – Gekonnt gefragt, gezielt geführt!).

Es spielt dabei keine Rolle, ob Sie den Bereich der Kontrolle vom Bereich des Einflusses unterscheiden können oder Ihr Thema dem “richtigen” Kreis zuordnen. Denken Sie daran, es geht bei dem Modell darum, die Möglichkeiten von Einfluss auszumachen, anstatt sich als Opfer (vergl. Drama-Dreieck), hilflos oder handlungsunfähig zu fühlen. Es lenkt die Aufmerksamkeit dahin sich zu konzentrieren, wie Sie handeln und Einfluss nehmen können. Unsere Stimmungen und Gefühle haben keine Fernbedienung oder Regler, um diese wie am Mischpult zu steuern. Doch es gibt innere Regler diese zu beeinflussen.

Wenn Sie doch etwas finden, was im Bedenken- oder Sorgenkreis eingeordnet ist, so nehmen Sie es erst einmal als solches an. Akzeptieren Sie dies, als das was es ist: Nicht zu beeinflussen. Und anderslautende Wünsche anzuerkennen und als solche wertzuschätzen. Dann wenden Sie sich den Dingen zu, die Sie beeinflussen können.

Wir Menschen als einzelne können die Welt nicht ändern, doch wir können uns und unser Umfeld ändern. Und wer die Welt verbessern will, kann bei sich anfangen. Dort liegen die wahren Schätze und der tiefere Sinn und das was uns Erfolge generieren lässt.

Im Kern geht es darum, sich auf Dinge zu fokussieren, die direkt von uns gesteuert werden können. Das sind unsere Entscheidungen, Handlungen und wie wir auf Ereignisse reagieren. Dort liegt der eigenen Gestaltungsraum, in dem wir aktiv und lebendig sind. Dort liegt das potential zu mehr Selbstbewusstsein und Zufriedenheit. Und dieser Bereich ist größer, als wir es oft auf den ersten Blick erkennen können…